Veriko Tchumburidze Violine
Anastasia Kobekina Violoncello
(Beethovenfest Residenz)
Alexey Botvinov Klavier
28.8.– 27.9. 2025

Veriko Tchumburidze Violine
Anastasia Kobekina Violoncello
(Beethovenfest Residenz)
Alexey Botvinov Klavier
Valentin Silvestrov (*1937)
»Moments of Memory – V«. Klaviertrio in sieben Sätzen (Deutsche Erstaufführung)
Sergei Rachmaninow (1873–1943)
»Trio élégiaque« Nr. 1 g-Moll
Antonín Dvořák (1841–1904)
Klaviertrio Nr. 4 e-Moll op. 90 »Dumky-Trio«
I. Lento maestoso – Allegro quasi doppio movimento (attaca)
II. Poco Adagio – Vivace non troppo (attaca)
III. Andante – Vivace non troppo
IV. Andante moderato – Allegretto scherzando – Meno mosso
V. Allegro
VI. Lento maestoso – Vivace
Drei Trios, drei ausgesprochen unterschiedliche Herangehensweisen an die Gattung und drei Musiker:innen, die diese Musik mit viel Ausdruck zelebrieren.
Von einem eindrucksvollen Frühwerk des jungen Sergei Rachmaninow, das schon erahnen lässt, wohin ihn sein Weg später führen würde, über das formal ungewöhnliche und folkloristisch geprägte »Dumky-Trio« Antonín Dvořáks hin zur deutschen Erstaufführung des Valentin Silvestrov-Trios »Moments of Memory – V«, das ausdrücklich nicht nur die Klänge, sondern auch die Nicht-Klänge (also die Stille) in den Fokus setzt.
Lassen Sie sich für eine Stunde in musikalische Sphären mitnehmen, in denen man den Raum vergessen und die Zeit vernachlässigen kann. Drei Ausnahmekünstler:innen atmen gemeinsam mit Ihnen durch.
An Konservatorien lernen Musiker:innen bereits ab dem ersten Semester das gemeinsame Spielen in Ensembles. Ungeachtet der solistischen Brillanz der Beteiligten stellt die Kommunikation untereinander eine ganz eigene Herausforderung dar. Suchen Sie sich Ihre Analogie gerne selbst aus: Das Musikmachen im Ensemble wurde schon verglichen mit Fußballmannschaften oder mit der Teamarbeit der Apollo 11-Mission. Kammermusik braucht intensive Zusammenarbeit und einwandfreie Verständigung.
Das Klaviertrio gilt in der Musik sicherlich als eine der am längsten etablierten Formen des Miteinanders abseits des Orchesters. Die ersten Werke, die Ludwig van Beethovens mit Opusnummern veröffentlichte, sind drei Klaviertrios. Diese Trios bedeuteten für den jungen Beethoven im Jahr 1795 einen wichtigen Meilenstein für das Selbstvertrauen in sein kompositorisches Können. Er nahm die Neuerungen der Gattung von Haydn und Mozart auf und trug entscheidend zur weiteren Entwicklung des Klaviertrios im 19. Jahrhundert bei.
Aufstrebende Komponist:innen nach Beethoven mussten sich mit dessen innovativen Werken messen. Die ganz großen unter ihnen tun das jedoch immer mit ihrer eigenen Handschrift. Zweifelsohne ist das bei allen drei Stücken des heutigen Programms der Fall.

Während die anderen beiden Trios des Programms ihre Uraufführung innerhalb weniger Monate in den Jahren 1891/92 hatten, wurde Valentin Silvestrovs »Moments of Memory – V« erst diesen Sommer in Istanbul von den Künstler:innen um Anastasia Kobekina zum ersten Mal auf der Bühne präsentiert.
»Die Musik des Zyklus ›Moments of Memory‹ besteht aus einer Kette von Momenten, wobei ein Moment einen Anfang, aber kein Ende hat. Er bricht nicht ab, sondern lauscht aufmerksam und wartet auf eine Fortsetzung, die sich in der Unendlichkeit verliert. So entsteht eine neue Form der Dauer: Durch die offenen Türen der Erwartung tritt ein anderer Moment ein. Alles folgt dem Prinzip der Scheherazade aus ›Tausendundeine Nacht‹. Musiker:innen und Publikum sind eingeladen, nicht nur zuzuhören, sondern aufmerksam zu sein – nicht nur auf den Klang, sondern auch auf die Stille zwischen den Klängen.«
Der Komponist über sein neues Klaviertrio

Ähnlich wie Dvořák und Rachmaninow erlangte auch Silvestrov nach frühen Erfolgen in seiner Heimat große Anerkennung in Westeuropa und den USA und gilt heute als einer der bekanntesten ukrainischen Komponist:innen. Geboren in Kyjiw, studierte er dort am Konservatorium. Er entzog sich von Beginn an einer präzisen stilistischen Einordnung – sein Werk ist schlicht zu komplex und vielseitig, um es einer Strömung oder Schule zuzuschreiben.
Der Pianist des heutigen Konzerts Alexey Botvinov, der mit Silvestrov seit vielen Jahren eng zusammenarbeitet, schätzt sich glücklich, »ein Genie persönlich zu kennen«. Nachdem das 20. Jahrhundert sowohl wortwörtlich als auch metaphorisch ein sehr lautes war, setzen sich Silvestrovs Kompositionen im 21. Jahrhundert mit der Idee eines ruhigen, friedvollen Lebens auseinander. Darin liege auch das Ende des Trios begründet, das nicht mit Fanfaren sondern einem musikalischen »lautlosen Seufzer« endet.
Wie komponiert man mit 18 Jahren ein solches Werk wie das »Trio élégiaque«? Diese Frage wird wohl beim Zuhören auftauchen. Sicherlich war sein Vorbild Tschaikowsky ein naheliegender wie ambitionierter Referenzpunkt für den jungen Pianisten Sergei Rachmaninow. Das Motiv, das im Klavier zu Beginn des Trios auftritt, erinnert an den fulminanten Auftakt von Tschaikowskys erstem Klavierkonzert, wo es in den Hörnern – wenn auch umgekehrt – zu hören ist. Aber auch Rachmaninows große orchestrale Werke lassen sich bereits erahnen. Immer wieder blitzt an einzelnen Stellen die Brillanz seines späteren Schaffens auf, und manchmal ist die Musik so maximalistisch, dass man meinen könnte, sich tatsächlich in einem Klavierkonzert zu befinden.

Der junge Komponist möchte in dem Klaviertrio vor allem mit seiner Virtuosität am Klavier punkten (Rachmaninow spielte die Uraufführung selbst). Das Zusammenspiel von Violine und Cello zeugt bereits von einem tiefen kompositorischen Verständnis. Scheinbar schwerelos schwebt die Geige in hohen Lagen. Gemeinsam mit dem breiten klanglichen Spektrum des Cellos entwickelt sich ein ausbalanciertes Zwiegespräch zwischen Innigkeit und großen emotionalen Ausbrüchen. So entsteht in diesem einsätzigen Stück eine kurzweilige Dramaturgie, die das Publikum mit ebendieser Frage zurücklässt: Wie kann ein so junger Komponist ein so filigranes Stück komponieren? Staunen und Genießen ausdrücklich erlaubt!
Die Elegie wird oft als Gegenstück zur Ode verstanden und geht gleichfalls auf eine Gedichtform der griechischen Antike zurück. Die Konnotation des wehmütigen Klagelieds findet sich auch in verschiedenen Musikformen wieder. Bei Rachmaninow beschreibt der Beiname den Charakter des Trios.
Um festzustellen, dass Antonín Dvořák ein Ausnahmekomponist mit einem einmaligen Talent für zeitlos schöne Musik war, muss man kein:e Expert:in sein. Seine Trios spiegelten stets die Weiterentwicklung der Gattung seit der Zeit der Wiener Klassik wider. Das »Dumky-Trio« stellte sich schnell als Publikumsliebling heraus. Dvořák selbst spielte es 1891 über 40 Mal auf der »Abschieds-Tour« in seiner Heimat Böhmen, bevor ihn sein Weg nach New York führte.

Es ist ein faszinierend ambivalentes Werk: Riesige Kontraste zwischen langsam und schnell sowie Dur und Moll herrschen vor. Die Stimmungen reichen von Intimität bis zu unbändiger Heftigkeit – teilweise mit explosiven Wechseln. Dvořák findet eine elegante Verbindung von folkloristischen Elementen und den Konventionen der Gattung. Der Bezug auf die slawische (Musik-)Tradition wird auch im Titel »Dumky« kenntlich. Typisch für dieses Volks-Genre ist der episodische Wechsel zwischen den Stimmungen.
Aus dem Ukrainischen übersetzt bedeutet »Dumka« wortwörtlich ›Gedanke‹ oder ›Nachdenken‹, wobei es sich um den Diminutiv von »Duma« handelt. Gleichzeitig steht »Duma« aber auch für eine Art des ukrainischen Epos oder der Ballade. Dieser Trauergesang wurde im slawischen Raum häufig mit musikalischer Begleitung vorgetragen. Viele klassische Komponist:innen im 19. Jahrhundert nutzten den Begriff als Genre für eine folkloristische und introvertierte Komposition. Typisch ist auch etwas Episodisches, mit dem die Strophen einer Ballade und ihre wechselnden Stimmungen umgesetzt werden.
Text: Sven Boxberg
Das Dumka-Genre bedingt die ungewöhnliche Form aus sechs Sätzen, die ineinander übergehen – vielleicht sind sie Sinnbilder von Episoden aus Dvořáks Leben. Die fein abgestimmte Collage verschiedener Charaktere nimmt bereits den bunten eklektischen Stil vorweg, der sich wenige Jahre später in seiner monumentalen neunten Sinfonie wiederfinden lässt. Wie eng man den Künstler und seine Kunst miteinander verknüpft, ist natürlich der eigenen Deutung überlassen.
Wir – das Beethovenfest Bonn – laden ein, in einem offenen und respektvollen Miteinander Beethovenfeste zu feiern. Dafür wünschen wir uns Achtsamkeit im Umgang miteinander: vor, hinter und auf der Bühne.
Für möglicherweise auftretende Fälle von Grenzüberschreitung ist ein internes Awareness-Team ansprechbar für Publikum, Künstler:innen und Mitarbeiter:innen.
Wir sind erreichbar über eine Telefon-Hotline (+49 (0)228 2010321, im Festival täglich von 12–20 Uhr) oder per E-Mail (awareness@beethovenfest.de).
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Das Beethovenfest Bonn 2025 steht unter der Schirmherrschaft des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst.
Programmheftredaktion:
Sarah Avischag Müller
Julia Grabe
Die Texte von Sven Boxberg sind Originalbeiträge für dieses Programmheft.