Iveta Apkalna Orgel
Gábor Boldoczki Trompete
28.8.– 27.9. 2025

Iveta Apkalna Orgel
Gábor Boldoczki Trompete
Giovanni Battista Martini (1706-1784)
Toccata G-Dur, arr. für Trompete und Orgel von Marie-Claire Alain
Sofia Gubaidulina (*1931)
»Hell und Dunkel« für Orgel solo
Péter Eötvös (1944-2024)
»Echo« für Trompete und Orgel
Johann Sebastian Bach (1685-1750)
Chaconne aus der Violin-Partita BWV 1004, arr. für Orgel solo von Matthias Keller
Antonio Vivaldi (1678-1741)
»Sovente il sole« aus »Andromeda liberata« RV 117, arr. für Trompete und Orgel
Naji Hakim (*1955)
Sonate für Trompete und Orgel
I. Allegro con spirito
II. Mesto, tragico
III. Saltarello
Im Volksmund gilt die Orgel gemeinhin als Königin der Instrumente, was mindestens zwei Gründe hat: Allein von ihren Ausmaßen her übertrumpft sie jedes andere. Zudem hat sie ein riesiges Spektrum an Klangfarben aufzubieten, das fast an den Ausdrucksreichtum eines großen Orchesters herankommt. Dank ihrer Palette an Registern kann die Orgel dabei zahlreiche Instrumente nachahmen. Dazu gehört etwa das sogenannte ›Trompetenregister‹, mit dem auch die große Klais-Orgel hier im Bonner Münster an den strahlenden Ton des Blechblasinstruments erinnert.
Doch auch im Konzertbetrieb bilden Orgel und Trompete längst eine mehr als nur harmonische Verbindung. Das spiegelt sich nicht zuletzt in zahllosen Arrangements von Barockklassikern, aber genauso in vielen Originalkompositionen wider. Ein musikalisches Panorama mit Werken vom frühen 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart präsentieren nun Iveta Apkalna und Gábor Boldoczki im Duo sowie solistisch.
Die erste Station führt in das Italien des 18. Jahrhunderts. Genauer: nach Bologna. Hier lebte und arbeitete der europaweit geschätzte Komponist, Organist und Musikgelehrte Giovanni Battista Martini. Kein Wunder, dass der im Alter von 23 Jahren zum Priester geweihte Musiker immer wieder hohen Besuch aus der Ferne bekam. Wie im Jahr 1770, als der 13-Jährige Mozart den als »Italiens Abgott« bezeichneten Padre Martini aufsuchte, um sich bei ihm in der Kunst der Fuge fortzubilden.
Die heute zu hörende »Toccata« schrieb Martini ursprünglich als reines Orgelstück. Zu einem Klassiker für Orgel und Trompete wurde die festliche »Toccata« im 20. Jahrhundert – dank des Arrangements aus der Feder der berühmten Organistin Marie-Claire Alain, die mit dem Trompeter Maurice André ein regelrechtes Kult-Duo bildete.

Ein vollkommen anderes Klanguniversum tut sich auf mit Sofia Gubaidulinas einzigem Orgelstück »Hell und Dunkel«. Erst im vergangenen März ist die in der Tataren-Republik Tschistopol geborene Komponistin im Alter von 93 Jahren verstorben. Wie sie einmal geäußert hat, waren ihre Begegnungen mit der Musik von Dmitri Schostakowitsch und Johann Sebastian Bach besonders prägend. Gubaidulinas tiefer christlicher Glaube spiegelt sich in »Hell und Dunkel« wider.
1976 entstand dieses rund zehnminütige Orgelwerk. 1979 erlebte es seine Uraufführung im damaligen Leningrad. Im ersten Teil des Stücks kämpfen tiefe Akkordflächen gegen Klangkaskaden, die wie Elementarteilchen wild umher und in die Höhe schießen. Zwischendurch wird die Klang-Ballung durch radikale Zäsuren durchschnitten: unvermittelte Momente der Ruhe und Stille. Im zweiten Teil entspannt sich das kontrastreiche Geschehen. Plötzlich wird man Ohrenzeug:in der puren Entschleunigung, die langsam und harmonisch in einer Art Klang-Urzustand mündet.
»Jeden Tag habe ich eine Korrespondenz mit Bach.«
– Sofia Gubaidulina

Iveta Apklna verband eine enge, musikalische Freundschaft mit dem ungarischen Komponisten Péter Eötvös. 2017 hob sie sein »Multiversum« mit aus der Taufe, das er für Orgel, Hammondorgel und Orchester geschrieben hatte. Nur ein halbes Jahr vor dem plötzlichen Tod des vielgefragten Musikers vor einem Jahr präsentierte Apkalna zusammen mit Gábor Boldoczki sein Duo-Stück »Echo« in der Kölner Philharmonie. Komponiert ist es aber nicht für die klassische Trompete, sondern für die Piccolo-Trompete, die einen wesentlich schlankeren Ton hat. Für Eötvös gehört »Echo« »zum Genre der musikalischen, lyrischen Erzählungen«.
»Es ist eine persönliche und gefühlsbetonte Geschichte in der Sprache der Musik. Ihre Charakterisierungsfähigkeit liegt in den großwelligen Melodien des Soloinstruments. Der Titel bezieht sich auf die schallende Akustik und den offenen Raum, die durch den Orgelklang geschaffen werden, als ob der Erzähler von der Spitze einer Anhöhe aus rezitiert und die Umgebung seine Stimme widerhallen lässt.«
– Péter Eötvös

Für alle ambitionierten Violinist:innen gehören sie zu den Gipfelwerken: die sechs Sonaten und Partiten für Solo-Violine von Johann Sebastian Bach. Zwischen 1717 und 1720 komponierte er diese Meisterwerke. Doch eine Partita ragt da besonders heraus. Es ist diejenige in d-Moll BWV 1004, die von der berühmten »Chaconne« gekrönt wird. Grundlage für diesen 256 Takte umfassenden Satz bildet ein sich ständig im Bass wiederholendes Thema. Über dieses schrieb Bach sage und schreibe 64 Variationen, die später Komponisten wie Johannes Brahms einfach nur sprachlos machten:
»Die ›Chaconne‹ ist mir eines der wunderbarsten, unbegreiflichsten Musikstücke. Auf ein System, für ein kleines Instrument schreibt der Mann eine ganze Welt von tiefsten Gedanken und gewaltigsten Empfindungen.«
– Johannes Brahms
Es gibt zahlreiche Bearbeitungen der »Chaconne«. Brahms hat sie für linke Klavierhand eingerichtet. Und neben Fassungen etwa für die Gitarre und gar das Akkordeon dürfen selbstverständlich auch Versionen für Bachs eigentliches Instrument, die Orgel, nicht fehlen. Das heute zu hörende Arrangement stammt von dem Bremer Organisten und Filmmusik-Komponisten Matthias Keller.

Zu den von Johann Sebastian Bach meistbewunderten Komponisten seiner Zeit gehörte der italienische Barockmeister Antonio Vivaldi. So hat Bach etwa einige Konzerte des Venezianers für die Orgel eingerichtet. Viele hunderte Instrumentalkonzerte hat Vivaldi auch für das von ihm geleitete Mädchenorchester eines Waisenhauses geschrieben. Sein berühmtester Beitrag zur Konzertgattung sind aber natürlich die »Vier Jahreszeiten«.
Nur für die Orgel oder die Trompete hat der 1703 zum Priester geweihte Komponist (vermutlich) nichts hinterlassen. Diese Lücke kann immerhin die Bearbeitung seiner Arie »Sovente il sole« für Trompete und Orgel schließen. Die Arie wird im Original von einer solistischen Geige und Orchester begleitet. Sie stammt aus der Serenade »Andromeda liberata«, die Vivaldi 1726 anlässlich der Rückkehr des Kardinals und Musikliebhabers Pietro Ottoboni nach Venedig komponierte. Aber schon bald verstaubte die Partitur und damit auch die ursprünglich für Countertenor geschriebene Arie für die nächsten Jahrhunderte in den Archiven. Seit ihrer Wiederentdeckung zählt sie aber zu Recht zu Vivaldis meistgesungenen (und gespielten!) Arien.

Ähnlich wie im Fall von Bach wurde die Orgel auch für den Organisten und Komponisten Naji Hakim schon früh zum Lebensmittelpunkt.
»Ich war fünf Jahre alt und ging zum ersten Mal in die Frühmesse. Ich erinnere mich noch genau, dass die Kirche in Beirut drei große Portale hatte, und ich weiß noch, durch welches wir hineingingen. Als ich dann die Orgel, diesen berauschenden Klang hörte, wusste ich, dass ich dieses Instrument spielen wollte – und zwar für den Gottesdienst.«
– Naji Hakim
Dieser Kindheitstraum des gebürtigen Libanesen und Wahl-Franzosen Naji Hakim sollte bald Wirklichkeit werden. Naji Subhy Paul Irénée Hakim – so sein vollständiger Name – konnte immerhin einen der geschichtsträchtigsten Orgelposten bekleiden: 1993 wurde er Titular-Organist in der berühmten L’Église de la Trinité in Paris.
Iveta Apkalna und Gábor Boldoczki spielen seine Sonate für Trompete und Orgel. Hakim schrieb sie 1994 im Auftrag des englischen Oundle-Festivals. Anhand verschiedener musikalischer Einflüsse und Stile verschmilzt Hakim hier die facettenreichen Ausdrucksmöglichkeiten der Trompete mit dem farbenreichen und orchestralen Klangvolumen der Orgel.
In den äußeren Sätzen geht es offensiv unterhaltsam zu. Das Eröffnungs-Allegro kommt verspielt daher und klingt ein bisschen nach Varieté. Das finale Presto besitzt hingegen die ansteckende Ausgelassenheit eines italienischen »Saltarello«-Volkstanzes. Doch auch im langsamen Mittelsatz kennt Hakim keine musikalischen Berührungsängste und färbt die nachdenklichen Variationen mit so manchem Blues-Feeling ein.
Texte: Guido Fischer

»Ich saß in einer Wettbewerbsjury im finnischen Lahti. Und eine der Musikerinnen war Iveta Apkalna, die durch ihre enorme musikalische Empfindsamkeit auffiel.«
Naji Hakim über seine erste Begegnung mit der Organistin Iveta Apkalna
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Programmheftredaktion:
Sarah Avischag Müller
Julia Grabe
Die Texte von Guido Fischer sind Originalbeiträge für dieses Programmheft.