Mathieu van Bellen Violine
Omri Epstein Klavier
Marmen Quartet
Johannes Marmen Violine
Laia Valentin Braun Violine
Bryony Gibson-Cornish Viola
Sinéad O’Halloran Violoncello
28.8.– 27.9. 2025

Mathieu van Bellen Violine
Omri Epstein Klavier
Marmen Quartet
Johannes Marmen Violine
Laia Valentin Braun Violine
Bryony Gibson-Cornish Viola
Sinéad O’Halloran Violoncello
Claude Debussy (1862–1918)
Streichquartett g-Moll op. 10
I. Animé et très décidé
II. Assez vif et bien rythmé
III. Andantino, doucement expressif
IV. Très modéré – En animant peu à peu – Très mouvementé et avec passion
Pause
Ernest Chausson (1855–1899)
Konzert für Violine, Klavier und Streichquartett D-Dur op. 21
I. Décidé – Calme – Animé
II. Sicilienne. Pas vite
III. Grave – Un peu plus vite – [Grave]
IV. Finale. Très animé
In Kooperation mit dem Kulturring Bad Honnef
In seinem Streichquartett erreichte Claude Debussy eine orchestrale Klangvielfalt, die man in dieser Gattung bis dahin nicht kannte. Kein Wunder, dass die meisten namhaften Quartett-Formationen diesen »kunstvoll gemusterten Teppich von wundersamer Farbigkeit« (wie Paul Dukas das Werk genannt hat) im Repertoire haben.
Orchestrale Fülle erzielt auch Ernest Chaussons Konzert für Violine, Klavier und Streichquartett, dessen außergewöhnliche Besetzung sich in den unterschiedlichsten Kombinationen präsentiert. Keiner der Stimmen wird eine bestimmte Aufgabe zugewiesen: Die Solo-Violine pausiert bisweilen oder rückt in den Hintergrund. Das Quartett tauscht ständig die Rollen, indem es abwechselnd als Begleitung, als ›opernhafter‹ Chor oder in seiner Gesamtheit als gleichwertiger Dialogpartner in Erscheinung tritt.
Weit mehr als ›Kammermusik‹: Eher ein imaginäres Theater, das viele Merkmale der Belle Époque verkörpert – eine sinnliche Tonsprache und eine fast nostalgische Sehnsucht nach der ›guten alten Zeit‹.
Das Pariser Musikleben stand im 19. Jahrhundert ganz im Zeichen des Theaters, der Oper und des Balletts. Spektakuläre Massenszenen, gefeierte Tenöre und bewunderte Primadonnen elektrisierten das Publikum, das nach immer neuen Sensationen Ausschau hielt.
Ähnlich ging es auf den Konzertpodien zu, wenn die großen Virtuosen ihre Hörer:innen mit Bravour-Variationen über bekannte Opernthemen zu Begeisterungsstürmen hinrissen. Den Spielplan des Théâtre Italien beherrschten Werke von Rossini, Bellini und Donizetti, an der Opéra Garnier dominierten Stücke von Halévy und vor allem Meyerbeer, dessen »Hugenotten« zur meistaufgeführten Oper in der Seine-Metropole avancierte.
Wer Erfolg haben wollte, musste eine der Pariser Bühnen erobern, während man mit Sinfonien, Streichquartetten oder Sonaten auf verlorenem Posten stand. »Ein französischer Komponist, der die Kühnheit hatte, sich auf das Gebiet der Instrumentalmusik zu wagen«, gab Camille Saint-Saëns am 27. September 1880 in der Zeitschrift »Le Voltaire« zu Protokoll, »konnte seine Werke lediglich in einem selbstveranstalteten Konzert zur Aufführung bringen, zu dem er seine Freunde und die Presse einlud. An das Publikum, das eigentliche Publikum, war nicht zu denken; der bloße Name eines französischen Komponisten – noch dazu eines lebenden! – genügte, um alle Welt in die Flucht zu schlagen.«
Dabei hatte es mehrere Versuche gegeben, eine eigenständige Instrumentalmusik-Pflege in Frankreich zu etablieren, die auch dazu beitragen sollte, einheimische Komponist:innen für die einschlägigen Genres zu begeistern. Allerdings scheiterten die meisten Konzertunternehmen innerhalb kürzester Zeit.
Zu einer wirklichen Neuorientierung kam es erst nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, als man nach der durch Preußen, Bayern, Baden und Württemberg erlittenen militärischen Niederlage und der ausgerechnet im Spiegelsaal von Schloss Versailles erfolgten Proklamation des Deutschen Kaiserreichs neuen Halt für ein kulturelles Selbstbewusstsein suchte.
Unter dem Motto »Ars gallica« gründeten Camille Saint-Saëns und Romain Bussine, Professor für Gesang am Pariser Conservatoire, die Société nationale de musique, welche sich zum Ziel setzte, Orchester- und Kammermusikwerke französischer Herkunft aufzuführen und zu fördern. »In der Literatur«, so Saint-Saëns, »gibt es das Theater, und es gibt auch das Buch. Auf jenes kommt man immer wieder zurück, welcher Art die mächtigen Verlockungen der Bühne auch immer sein mögen. In der Tonkunst sind es Kammermusik und Konzert, die dem Buche gleichkommen, mit ihrer Bedeutsamkeit, ihrer Dauerhaftigkeit und Zuverlässigkeit«. So viel zum Leitgedanken der neuen Gesellschaft, als deren Sekretär ab 1886 der wohlhabende Rechtsanwalt und Komponist Ernest Chausson arbeitete.

»Ohne die Société nationale de musique würden die meisten Werke, die den Ruhm unserer Musik ausmachen, nicht aufgeführt, ja vielleicht nicht einmal geschrieben worden sein.«
Romain Rolland
Für einen »französisch« inspirierten Streichquartett-Stil sorgte César Franck, der als Professor am Pariser Conservatoire lehrte, als er 1890 seinen einzigen Gattungsbeitrag vorlegte. Der gebürtige Belgier realisierte darin die Idee des »thème cyclique«, eines einzigen musikalischen Leitgedankens, der sich wie ein Motto durch alle Sätze zieht. An dieses Modell knüpfte auch Claude Debussy mit seinem g-Moll-Quartett an. Doch bei der Uraufführung 1893 hörte das Publikum ein Stück, dessen fremdartige Melodien nichts mit dem klassischen Themenbegriff gemein hatten – eine Musik, deren Motive wie orientalischer Gesang durch die Sätze glitten, ohne im traditionellen Sinn ›verarbeitet‹ zu werden. Zudem verwunderte die Zeitgenoss:innen die nie dagewesene orchestrale Farbigkeit. In einer Gattung, deren Vorrecht die kunstvolle Umgestaltung kontrastierender Themen war, musste das Widerspruch provozieren. Dabei wechseln sich die zu aphoristischer Kürze neigenden Bilder in völlig ungewohnter Geschwindigkeit ab.

Debussy komponierte eine Musik, die sich in ständigem Fluss befindet, wobei sich Melodik und Klangfarben schillernd ändern. Die variierenden Dichtegrade der Klangereignisse, die raffinierte Harmonisierung und die verschiedenen Spieltechniken rücken das vermeintlich Gleiche in immer neues Licht. Angesichts dieser Neuerungen mag es kaum überraschen, dass Debussys Streichquartett bei der Premiere von Publikum und Fachpresse mit Befremden aufgenommen wurde. Einzig der Komponist Paul Dukas reagierte begeistert:
»Debussy zeigt eine besondere Vorliebe für Verknüpfungen klangvoller Akkorde und für Dissonanzen, die jedoch nirgends grell, vielmehr in ihren komplexen Verschlingungen fast noch harmonischer als selbst Konsonanzen wirken; die Melodie bewegt sich, als schreite sie über einen prächtigen, kunstvoll gemusterten Teppich von wundersamer Farbigkeit, aus dem alle schreienden und unstimmigen Töne verbannt sind.«
Paul Dukas
Am 2. Juli 1893 schrieb Claude Debussy dem befreundeten Komponisten Ernest Chausson von »bedrückenden« Schwierigkeiten bei der Komposition seines Streichquartett-Finales, das er bereits zum dritten Mal ohne Erfolg begonnen habe. Es vergingen sechs Wochen, bis der Komponist seinem Freund von der Vollendung des Finales berichtete, das ihn »wirklich unglücklich« gemacht habe. Chaussons Reaktion auf das fertige Manuskript ist nicht überliefert. Allerdings widmete Debussy das Quartett nicht wie geplant ihm, sondern den Musikern des Quatuor Ysaÿe, weshalb man annehmen kann, dass Chausson wenig begeistert war.
Zwei Jahre vor der Premiere von Debussys Streichquartett vollendete Ernest Chausson sein Konzert für Violine, Klavier und Streichquartett op. 21, das gleich zu Beginn ein zyklisches, also satzübergreifendes Thema präsentiert – wobei die monumentalen Akkorde wie Steinquader in den Raum gewuchtet werden. Die ungewöhnliche Besetzung ermöglicht eine Vielzahl wirkungsvoller Klangkombinationen, vom Duo zwischen Klavier und Violine über ein Klavierquintett bis hin zum Sextett von orchestraler Klangfülle. Die erfolgreiche Uraufführung fand mit dem Jahrhundertgeiger Eugène Ysaÿe, dem Pianisten Auguste Pierret und dem belgischen Quatuor Crickboom am 4. März 1892 in Brüssel statt. Anschließend wurde das Stück trotz (oder wegen?) seiner Instrumentierung häufig gespielt und erfreute sich auch beim Publikum allergrößter Beliebtheit.
Im Kopfsatz verschleiern ausgefallene Harmoniewechsel die Grundtonart, bis die Musik voller Kaskaden, Girlanden und Akkordbrechungen des Klavierparts in einem heroischen Violinsolo kulminiert. Es schließt sich eine pastorale »Sicilienne« an, ein ländlicher Tanzsatz im wiegenden Rhythmus. Er verdichtet sich allmählich zu einem impulsiven Höhepunkt, bevor die Solovioline zum folgenden dritten Satz überleitet: Er ist wie die »Sicilienne« als groß angelegter Spannungsbogen gestaltet. Für einen unbeschwerten Ausklang sorgt dann das mit »Très animé« überschriebene Finale. Es verläuft zunächst episodenhaft wie eine Rhapsodie. Die Beschleunigung der Taktart führt zu einem triumphalen Abschluss.

»Alle finden das Konzert scheinbar sehr gut. Sehr gute Darbietung, zeitweise sogar vortrefflich, und stets so kunstvoll angelegt! Ich fühle mich so beschwingt und fröhlich, wie ich mich seit langem nicht mehr gefühlt habe. Mir scheint, dass ich mich in Zukunft mit mehr Selbstvertrauen an die Arbeit begeben werde.«
Ernest Chausson nach der Brüsseler Uraufführung des Opus 21 in seinem Tagebuch
Wurde das klassische Streichquartett noch als Dialog und Diskurs verstanden – als ein Gespräch zwischen »vier vernünftigen Leuten«, wie Goethe es beschrieb –, wirkt das Quartett in Chaussons »Concert« wie ein kompaktes Orchester. Denn obwohl auch die innewohnende Besetzungsvariante des Sextetts genutzt wird, steht das Orchestrale mit den beiden Solisten eindeutig im Vordergrund. Insofern durchbricht dieses Werk die akustischen und psychologischen Barrieren der Kammermusik. Es ignoriert die Intimität des Salons und drängt an die Öffentlichkeit – vor das Publikum in einem imaginären Theater der großen Gefühle und leidenschaftlichen Dramen.
Texte: Harald Hodeige
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Lektorat:
Heidi Rogge
Programmheftredaktion:
Sarah Avischag Müller
Julia Grabe
Die Texte von Harald Hodeige sind Originalbeiträge für dieses Programmheft.