Scottish Chamber Orchestra
Colin Currie Schlagwerk
Maxim Emelyanychev Dirigent
28.8.– 27.9. 2025

Scottish Chamber Orchestra
Colin Currie Schlagwerk
Maxim Emelyanychev Dirigent
Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Auszüge aus der Ballettmusik »Die Geschöpfe des Prometheus« op. 43
Overtura Adagio – Allegro molto e con brio
Introduzione La Tempesta. Allegro non troppo
Nr. 9 Adagio – Allegro molto
Nr. 10 Pastorale. Allegro
Nr. 16 Finale. Allegretto – Allegro molto – Presto
Sir James MacMillan (*1959)
»Veni, Veni, Emmanuel«. Schlagwerkkonzert
I. Introit – Advent
II. Heartbeats
III. Dance – Hocket
IV. Transition. Sequence
V. Gaude, Gaude
VI. Transition. Sequence II
VII. Dance – Chorale
VIII. Coda – Easter
Pause
Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67
I. Allegro con brio
II. Andante con moto
III. Scherzo. Allegro – Trio
IV. Allegro
»Allein Freiheit, weiter gehn ist in der Kunstwelt, wie in der ganzen großen Schöpfung, Zweck.« Freiheit zu proklamieren, ist ein unerhörter Akt zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Für Beethoven eine Lebensmaxime. Einen ideellen Verbündeten findet er in Prometheus, den Goethe gegen die Götter aufbegehren lässt: »Hier sitz’ ich, forme Menschen nach meinem Bilde.« Und in seiner fünften Sinfonie stürmt Beethoven aus tiefer Bedrängnis in Licht, Freiheit und das pralle Leben. ›Ultra‹? Und ob! Auch Maxim Emelyanychev ist davon überzeugt und formuliert seine Sicht auf Beethoven: »Wir müssen dem Publikum zeigen, wie extrem es damals war, seine Musik zu hören.«
Die Verheißung von Freiheit in der christlichen Advents- und Osterbotschaft inspirierte hingegen Sir James MacMillan zur Komposition seines Schlagwerkkonzerts »Veni, Veni Emmanuel«. Herzschläge durchpulsen das Werk, das am Ende »geradewegs hinein ins Gloria der Osternachtsfeier« steuert, »als finde die Proklamation der Freiheit ihre Verkörperung im auferstandenen Christus« (MacMillan).

Es sind harsche Worte, die Johann Wolfgang von Goethe seinen Prometheus dem Göttervater Zeus entgegenschleudern lässt:
»Hier sitz’ ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sey,
Zu leiden, zu weinen,
Zu genießen und zu freuen sich,
Und dein nicht zu achten,
Wie ich!«
Ein Vernunftwesen meldet sich da zu Wort, das sich über die Befehle der Götter hinwegsetzt: Prometheus entwendet das streng gehütete, heilige Feuer des Olymp und bringt es den Menschen. Er geht sogar noch weiter und formt Menschen nach seinem eigenen, einem widerspenstigen, sich selbst bewussten und aufgeklärten Geist. Das konnte um 1800 im Römisch-Deutschen Reich nicht jedem gefallen.
Aber einem gefiel es außerordentlich: Ludwig van Beethoven – dem Komponisten und Humanisten, dem die Idee einer selbstbestimmten republikanischen Gesellschaft ein großes Anliegen war. Kein Wunder also, dass der Wiener Ballettmeister Salvatore Viganò Beethovens Interesse weckte, als er ihn, vermutlich 1799, mit dem Gedanken konfrontierte, ein Ballett über Prometheus zu schreiben.

Der mythologische Titan sollte darin ein »erhabener Geist« sein, der »die Menschen zu seiner Zeit in einem Zustande von Unwissenheit antraf, sie durch Wissenschaften und Kunst verfeinerte und ihnen Sitten beybrachte«, wie es der Theaterzettel der Uraufführung ankündigt. Dort heißt es weiter:
»Von diesem Grundsatze ausgegangen, stellen sich in gegenwärtigem Ballet zwei belebt werdende Statuen dar, welche durch die Macht der Harmonie zu allen Leidenschaften des menschlichen Lebens empfänglich werden.«
Die belebten Statuen werden von Apoll, dem Gott der schönen Künste, Orpheus, Bacchus und zahlreichen Musen zu besseren Menschen erzogen. Beethoven setzt der abendfüllenden Ballettmusik eine strahlende Ouvertüre in C-Dur voran. Sie kündet von der Macht der Musik über den Menschen. Und vielleicht hatte der oder die ein oder andere Wiener Musikenthusiast:in das Thema des »Prometheus«-Finales noch in den Ohren, als ab Juni 1804 die erste klingende Ahnung der »Eroica«-Sinfonie an die Öffentlichkeit drang.
Denn im vierten Satz seiner dritten Sinfonie zitiert Beethoven seinen »Prometheus«: Noch einmal lässt er den aufmüpfigen Titanen zu Wort kommen und in vorwärtsdrängendem Rhythmus die Fackel der Freiheit hochhalten.
»Allein Freiheit, weiter gehn ist in der Kunstwelt, wie in der ganzen großen Schöpfung, Zweck«,
... lautet Beethovens (prometheischer) Leitspruch nicht von ungefähr.
Er sei ein »Modernist«, sagt Sir James MacMillan. 1959 wurde er in der schottischen Grafschaft Ayrshire geboren, studierte Komposition in Edinburgh sowie im nordenglischen Durham und ist derzeit der wohl bedeutendste zeitgenössische Komponist Schottlands. Dass seine Musik in der Gegenwart verankert ist und aus den kompositorischen Mitteln der eigenen Zeit schöpft, ist nur die halbe Wahrheit. Vielmehr charakterisiert MacMillan sowohl als Mensch als auch als Komponist eine große Offenheit in alle Richtungen.

Nur in die Zukunft zu denken und die Vergangenheit dabei vollkommen abstreifen zu wollen, das sei ihm suspekt, bekennt der Schotte. Er selbst sagt, dass seine künstlerische Arbeit auf einer Art »Vergangenheitsbewältigung« beruhe. Zusätzlich zum Rückbezug auf die Musikgeschichte setzt sich der bekennende Katholik in seinen Werken auch mit den Traditionen des Glaubens und der Spiritualität auseinander.
Das spiegelt auch sein Werk »Veni, Veni, Emmanuel« für Schlagwerk und Orchester. Komponiert 1992, war es Pionierstück, denn die Gattung »Schlagwerkkonzert« erfährt ihren wahren Boom erst seit wenigen Jahrzehnten. An die Vergangenheit knüpft MacMillan darin trotzdem an. »Das Stück kann aus zweierlei Blickwinkeln betrachtet werden«, erläutert der Komponist.
»Auf der einen Ebene handelt es sich um eine völlig abstrakte Komposition, deren komplettes musikalisches Material aus dem französischen Advents-Choral aus dem 15. Jahrhundert abgeleitet wird. Auf der anderen Ebene ergründet es mit musikalischen Mitteln die theologische Bedeutung hinter der Adventsbotschaft.«
Das einsätzige, in acht Abschnitte gegliederte Konzert habe er am ersten Adventssonntag 1991 begonnen und am Ostersonntag 1992 vollendet. Herzschläge pulsieren durch alle Abschnitte und manifestieren sich gegen Ende in Trommel und Pauke. Ein Schlüssel zum Werk, so MacMillan:
»Sie stehen für die Menschwerdung und die Gegenwart Christi. Texte zum Advent verkündigen den Tag der Befreiung von Angst und Bedrückung. Dieses Werk ist ein Versuch, dies in Musik widerzuspiegeln.«
Der titelgebende Choral erklingt im letzten Abschnitt und bildet im vollen Bläsersatz den emotionalen Höhepunkt, bevor rituelles Geläut von Röhrenglocken das letzte entrückte Wort haben. »Ganz zum Schluss des Stücks nimmt die Musik eine liturgische Abkürzung vom Advent in Richtung Ostern – geradewegs hinein ins Gloria der Osternachtsfeier –, als finde die Proklamation der Freiheit ihre Verkörperung im auferstandenen Christus.« (MacMillan)

Ta ta ta taaa! Es gibt nur wenige Tonfolgen, die mit ähnlicher Vehemenz zum musikalischen Allgemeingut geworden sind wie die ersten vier Schläge von Ludwig van Beethovens fünfter Sinfonie. In die Jahre 1807/08 fällt die Hauptarbeitszeit an diesem Werk voller Wut, Verzweiflung, Frage und Anklage – aber auch voll von neugefasstem Lebensmut und Überschwang: eine Sinfonie, die wie keine andere auf dem Weg von Finsternis in strahlende Helligkeit stürmt, ja geradezu aus tiefster Bedrängnis ins pralle Leben. Natürlich stammt der romantisch-schwärmerische Beiname »Schicksalssinfonie« nicht vom Komponisten selbst, aber er ist zu naheliegend, um ihn zu ignorieren. Entlädt sich doch in dieser Sinfonie all der Frust, den Beethoven im berühmten »Heiligenstädter Testament« zusammengefasst hat.

»O ihr Menschen die ihr mich für feindselig störrisch oder misanthropisch haltet oder erkläret, wie unrecht tut ihr mir ...«,
... so beginnt Beethoven seinen als »Heiligenstädter Testament« bekannten Brief von 1802. Dieser richtet sich wie ein letzter Wille an die engsten Verwandten und kommt gleichzeitig einem Aufschrei gleich. Beethoven hadert mit seinem Schicksal, dass sein Gehör ihn verlässt. Von den Menschen fühlt er sich unverstanden, fürchtet den Bezug zu ihnen allmählich zu verlieren – und hofft auf den Tod. Allein seine Kunst habe ihn am Leben gehalten, notiert er da, denn er könne nicht aus demselben treten, bevor er »Gelegenheit gehabt habe, noch alle meine Kunstfähigkeiten zu entfalten«. Ein neuer Weg muss her, persönlich wie musikalisch.
Die fünfte Sinfonie legt Zeugnis davon ab. Musik ist für ihn ab sofort mehr als »tönend bewegte Formen« (nach einem berühmten Ausspruch des Musikphilosophen Eduard Hanslick). Sie transportiert eine Idee. »Per aspera ad astra« ist das unausgesprochene Programm der Fünften – durch Nacht zum Licht. Es ist genau das Programm, das der Komponist im erschütternden Brief aus Heiligenstadt seinem Leben gegeben hat: Zum Licht der Kunst führt ihn das quälende Schicksal seines Daseins.
Texte: Ilona Schneider
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Programmheftredaktion:
Sarah Avischag Müller
Julia Grabe
Die Texte von Ilona Schneider sind Originalbeiträge für dieses Programmheft.