Der flüchtige Augenblick begleitet Bourgeois beständig. Im Laufe der Zeit nahm das Thema eine fundamentale Bedeutung an, wurde zu einem wahren Lebenswerk und Vermächtnis. Die Faszination ist verständlich – denn was an diesem Ort entsteht, ist eine Verbindung zwischen irdischer Körperlichkeit und kosmischer Freiheit. So kurz, aber ebenso unwiderstehlich, dass Bourgeois diesem Augenblick immer wieder entgegenfiebert. Deswegen nennt er die einzelnen Szenen seiner Performance auf Französisch »approches«, »Annäherungsversuche« an den im bildlichen Sinne springenden Punkt.
So auch in der Final-Szene »Opening«, wo er zwischen Trampolin und freistehender Treppe wahre Wunder der Poesie in die Luft zeichnet. Es sind jene Treppenstufen-Sprünge, die ihn berühmt machten. Inspiriert sind diese von den paradoxen Zeichnungen mit optischen Täuschungen des niederländischen Künstlers und Grafikers Maurits Cornelis Escher.
So richtig schwindelerregend wird es, wenn das Spiel mit der Fliehkraft beginnt. Dabei entsteht ein »ständiges Kräftemessen«, das viel mehr Kalkül und Abwiegen erfordert, als die Flucht vor der Schwerkraft. Besonders dramatisch geschieht dies in der Szene »Hourvari«, wo ein Mann und eine Frau auf einer sich immer schneller drehenden Bühne der Fliehkraft standhalten müssen. So sind Bourgeois’ Bilder von tiefgründiger Metaphorik durchzogen.
Dort einreihen kann sich auch »Dialogue«, wo sich ein Paar bis in die kleinste Regung aufeinander abstimmen muss, um nicht von der Bühne zu stürzen. Denn der Untergrund ist eine extrem instabile Plattform, deren Gleichgewicht ständig zu kippen droht, da sie in ihrem Zentrum auf einer winzigen vertikalen Achse gelagert ist.