Nicht nur Klassik: Giorgi Gigashvili sprengt die Vorstellung einer traditionellen Pianistenkarriere. In vier Konzerten des Festivals von Pop über Folk bis Neue Musik zeigt der Fellowship-Künstler beim Beethovenfest Bonn seine künstlerische Vielfalt.
Es geht Giorgi Gigashvili um die Freiheit. Das beginnt schon beim Instrument, dessen Beherrschung den jungen Georgier spätestens mit seinem zweiten Platz bei der Arthur Rubinstein Piano Competition in Tel Aviv 2023 auf die Weltkarte der Musikszene katapultierte. In seinem Heimatland Georgien ist der 2000 in Tbilisi geborene Gigashvili jedoch schon seit seiner Jugend berühmt: Mit 13 Jahren stand er bei der georgischen Ausgabe von »The Voice« im Finale und brillierte dort als Popsänger. Noch früher, bereits mit vier Jahren, sang er in einem Folk-Ensemble: »Ich bin meiner Mutter sehr dankbar, dass sie mich dort hingebracht hat. Mein Gehirn hätte sich anders entwickelt, mein Musikgeschmack und die musikalische Fülle wären nicht möglich gewesen ohne diese Erfahrung.«
Musikalisch schlagen daher viele Herzen in seiner Brust. Gigashvili schafft es jedoch, selbst augenscheinliche Gegensätze zu harmonisieren: Als Künstler des Fellowship-Programms beim Beethovenfest lässt er zusammen mit der Sängerin Nini Nutsubidze Werke von Mendelssohn, Grieg und Bartók auf jahrhundertealte georgische Klangtraditionen treffen. Mit dem befreundeten Elektronik-künstler Nikala Zubiashvili realisiert er wiederum das Projekt »Serious Music«, das sich ein wenig lustig darüber macht, wie ernsthaft ›ernste Musik‹ gespielt wird. »Schließlich«, sagt er, »war das, was heute Klassik ist, vor zweihundert Jahren auch einmal ›Pop‹. Wenn man heute Beethoven spielt, muss es daher immer etwas Modernes haben«.
Dass er seit kurzem nicht mehr in Tbilisi, sondern in Berlin lebt, hat vor allem mit der ökonomischen Situation zu tun. Es ist schwer, als Musiker außerhalb des Mainstreams Konzerte zu spielen in der Kaukasusrepublik. Zudem ist es unruhig in der Szene: Der schwelende Streit zwischen der langjährigen Kulturministerin Tea Tsulukiani und der georgischen Kunstwelt wurde zuletzt auch international wahrgenommen. »Alles muss so sein, wie sie es sich vorstellt. Das erschwert das Kunstschaffen sehr. Denn alle Künstler:innen wollen natürlich nach eigenen Vorstellungen arbeiten. Aber wenn jemand nicht ihrer Meinung ist, wird diese Person verstoßen. Sie umgibt sich lieber mit Menschen ohne Geschmack«, sagt Gigashvili und schiebt dabei mit einem schüchternen Lachen hinterher: »Schreiben Sie das bitte, wenn Sie das schreiben können!«
Können wir. Berlin als Sehnsuchtsort der Künste – selbst wenn dort zurzeit auch nicht alles perfekt ist, hat sich die Stadt ihren Ruf als Hort der Freiheit bis heute bewahrt. Musikalisch sowieso: In Berlin gibt es nicht nur Auftrittsmöglichkeiten, sondern auch ein Publikum, das bereit ist, Experimente mitzugehen. Denn das sind Gigashvilis Projekte geblieben: »Es geht darum, sich selbst treu zu sein. Und wenn die Leute es nicht mögen, kann ich es besser machen. Das macht mir gar keine Angst!« Die Freiheit – da blitzt sie wieder auf.
Giorgi Gigashvili im Festival
, Oper Bonn
Eröffnungskonzert: Beethoven & MEUTE
MEUTE, Kammerakademie Potsdam, Streichquartett des Ensemble Resonanz
MEUTE, Beethoven
, Theater im Ballsaal
Giorgi Gigashvili: Georgian on my mind
Giorgi Gigashvili, Nini Nutsubidze
, Theater im Ballsaal
Giorgi Gigashvili: ›Serious Music‹
Giorgi Gigashvili, Nikala Zubiashvili
, Pantheon Theater
Giorgi Gigashvili & ensemble reflektor
ensemble reflektor, Giorgi Gigashvili, Nikala Zubiashvili
Schnittke, Kantscheli, Gigashvili