Ein Konzert im Beethovenfest Bonn, das die Grenze zwischen Mensch und Maschine verschwimmen lässt: Schülermanager Zsolt Máté Kiss hat sich bei den Künstler:innen der Neuproduktion »Galatea Upload« umgehört und nimmt uns mit in das szenische Konzert.
»Galatea Upload« am 27.9. bietet eine faszinierende Gelegenheit, das Zusammenspiel von Mensch und Maschine in der Kunst zu erkunden. Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) steht im Mittelpunkt des Abends und verspricht den Zuschauer:innen ein beeindruckendes audiovisuelles Erlebnis. Was diese Veranstaltung von traditionellen Konzerten unterscheidet, ist die tiefgehende Integration von KI-Systemen in die kreative und performative Struktur des Konzerts.
Die Entstehung der Idee
Eine Begegnung mit der ZukunftDas Konzert wurde mit der Idee entwickelt, den gesellschaftlichen Diskurs über KI aufzugreifen und diesen in einer künstlerischen Form zu reflektieren. Für das Beethovenfest-Team und die Künstler:innen war klar, dass sie die aktuelle Debatte über den Einfluss von KI auf die Gesellschaft und insbesondere auf die Kunst in den Vordergrund rücken wollen. Regisseurin Anna Drescher beschreibt ihren Ausgangspunkt bei der Arbeit am Stück:
»KI ist in aller Munde. Was diese Technologie mit uns als Menschen macht, wo wir in diesen ganzen Entwicklungen stehen, was unsere Ängste und Chancen sind – damit haben wir uns beschäftigt und mit diesen Fragen die Dramaturgie des Konzertes gebaut.«
Dabei wurde nicht nur der technologische Fortschritt in den Vordergrund gerückt, sondern auch die tiefere Frage gestellt, wie sich die Beziehung zwischen Mensch und Maschine weiterentwickelt. Wo verlaufen die Grenzen? Kann der Mensch weiterhin die Kontrolle über den kreativen Prozess behalten, oder wird die Maschine eines Tages die dominierende Rolle übernehmen?
Auch das Titelbild von »Galatea Upload« entstand mithilfe des KI-Generators Adobe Firefly. Das Ausgangsbild von Tänzerin Sara Ezzell wurde durch Wiederholungen eines prompts, also einer Anweisung an die KI, immer weiter verfremdet und neu zusammengesetzt. Aus den Ergebnissen wurde das Titelbild (s.o.) ausgewählt.
Künstler:innen und KI
Eine kreative ZusammenarbeitDas Besondere an »Galatea Upload« ist die enge Zusammenarbeit zwischen Künstler:innen und KI-Systemen. Iñigo Giner Miranda, der Komponist der dritten Szene des Konzerts, hat intensiv die neuen Möglichkeiten in seine Arbeit einbezogen:
»Ich habe auf allen Ebenen mit KI-Tools gearbeitet – sei es für Texte, Musik oder Videos. Die Musikeinspielungen und Videos sind vollständig KI-generiert.«
Zum Einsatz kamen frei verfügbare Tools wie ChatGPT, Udio und Reface. »Es ist besonders interessant für mich, dass ich den gesamten Text mit ChatGPT erstellt habe, da es mir als Nicht-Muttersprachler vorher unmöglich gewesen wäre, Bühnentexte in dieser Form zu schreiben«, erklärt Iñigo.
Musiker:innen und KI-Expert:innen
Den Diskurs verstehenNeben Iñigo und den Musiker:innen der Jungen Deutschen Philharmonie mit Dirigentin Anne-Sophie Brüning war auch das Deutsche Museum Bonn maßgeblich an der Produktion beteiligt. Die Fachleute dort brachten ihre Expertise über den KI-Diskurs ein und halfen dabei, die technischen Möglichkeiten und Herausforderungen zu verstehen. Die Zusammenarbeit zwischen den Künstler:innen und den KI-Expert:innen führte zu einer ganz neuen Form der Komposition, die über den klassischen Rahmen eines Konzerts hinausgeht.
Auch Anna Drescher sieht die enge Verbindung zwischen Mensch und Maschine als Kern des Projekts:
»Für das Publikum wird teilweise nicht ersichtlich sein, was im Stück mit KI generiert wurde und was von menschlichen Köpfen stammt. Diese Unschärfe fordert heraus, über die Grenzen von Kreativität neu nachzudenken.«
Die Musik der Zukunft
Von Algorithmen inspiriertDie Künstler:innen machen sich in »Galatea Upload« Gedanken über die Singularität – ein Konzept, das der Zukunftsdenker Ray Kurzweil beschrieben hat. Es bezieht sich auf einen Punkt in der Zukunft, an dem Maschinen die menschliche Intelligenz übertreffen und die Grenze zwischen Mensch und Maschine endgültig verschwimmt. Das Stück stellt sich diese Zukunft szenisch und musikalisch vor: Szenarien, in denen die Technologie den kreativen Prozess nicht nur unterstützt, sondern sogar vollständig übernimmt. So wurden für die Bühnenbild-Gestaltung in der Kreuzkirche verschiedene KI-generierte Video-Filter verwendet. Diese Technologie ermöglicht es den Künstler:innen, komplexe audiovisuelle Elemente zu schaffen, die auf traditionelle Weise kaum realisierbar gewesen wären.
»Es ist unglaublich, was in kürzester Zeit alles möglich geworden ist, und es wird atemberaubend sein, was in Kürze auf uns als Gesellschaft zukommt«, sagt Anna Drescher.
Das Publikum als Teil der KI-Interaktion
»Galatea Upload« will nicht nur eine Geschichte über KI erzählen, sondern das Publikum mit den KI-Systemen in Austausch bringen. So werden die Zuhörer:innen auf subtile Weise in den kreativen Prozess einbezogen. Beispielsweise werden bestimmte Reaktionen des Publikums während der Aufführung aufgezeichnet und durch die KI ausgewertet, um sie in Echtzeit in die musikalische Darstellung einzuflechten. Das Publikum ist direkt in die Aufführung integriert und aktiv an der Entstehung der Musik beteiligt.
Bereits im Entwicklungsprozess haben junge Bonner:innen mit ihren Gedanken die Stoffe der Produktion mitbestimmt. Schüler:innen von Bonns Fünfte stehen nicht nur auf der Bühne, sondern liefern auch textliche Inhalte:
»Die Schüler:innen haben ihre Sichtweisen in Form von Tonaufnahmen eingebracht, die in die musikalischen Kompositionen eingeflossen sind«, so Anna Drescher.
Neue Perspektiven auf die Beziehung zwischen Mensch und Maschine
Anna Drescher sieht in der Zusammenarbeit mit Künstlicher Intelligenz auch eine Herausforderung:
»Die Frage, wo der Mensch die Zügel in der Hand behält und wo die Maschine übernimmt, bleibt spannend. Es wird zunehmend schwieriger, zwischen Fake und Wahrheit zu unterscheiden.«
Diesen Zwiespalt zwischen Werkzeug und Herausforderung verhandelt das Stück. Die neue Technologie zwingt uns, die Rolle des Menschen in der Kunst zu überdenken. Können wir wirklich von Kreativität sprechen, wenn ein Algorithmus den Großteil der Arbeit erledigt? Und welche Verantwortung tragen Künstler:innen in einer Welt, in der die Grenzen zwischen Menschlichem und Maschinellem zunehmend verschwimmen?
Das Konzert stellt diese Fragen direkt in den Raum, ohne eine klare Antwort zu geben. Es ist vielmehr eine Einladung an das Publikum, sich mit der eigenen Rolle und dem eigenen Verständnis von Kunst auseinanderzusetzen.
Das Konzert
, Kreuzkirche
Galatea Upload
Junge Deutsche Philharmonie, Pupils from Bonns Fünfte comprehensive school, Sara Ezzell