B’Rock Orchestra
Zürcher Sing-Akademie
Birgitte Christensen Sopran
Sophie Harmsen Alt
Thomas Walker Tenor
Johannes Weisser Bass
René Jacobs Dirigent
28.8.– 27.9. 2025
B’Rock Orchestra
Zürcher Sing-Akademie
Birgitte Christensen Sopran
Sophie Harmsen Alt
Thomas Walker Tenor
Johannes Weisser Bass
René Jacobs Dirigent
Ludwig van Beethoven (1770–1827)
»Missa solemnis« D-Dur op. 123
I. Kyrie
Assai sostenuto. Mit Andacht
II. Gloria
Allegro vivace
III. Credo
Allegro ma non troppo
IV. Sanctus
Adagio. Mit Andacht
V. Agnus Dei
Adagio
Für Wolfgang Amadeus Mozart und Joseph Haydn zählte das regelmäßige Schreiben von Messen ganz selbstverständlich zum Berufsbild eines Komponisten. Bei Ludwig van Beethoven war das anders. Worin bestand seine Motivation und wie kam es zum Langzeitprojekt der »Missa solemnis«?
Beethoven ging besondere Wege, auch bezüglich der Vermarktung. Bis heute ist die Missa neben der neunten Sinfonie eine seiner größten Kompositionen und hat einen festen Platz in den Konzertsälen der Welt – gerade, weil der traditionelle Messetext auf eigenwillige Weise behandelt ist.
Beethoven schrieb über das Agnus Dei im Autograph, dass es »den innern und äußern Frieden« darstelle – und änderte diese Worte später zu »Bitte um innern und äußern Frieden«. Aktueller könnte die Botschaft auch heute kaum sein.
Der Blick auf Ludwig van Beethoven ist bis heute eher einseitig: Im Vordergrund steht die Instrumentalmusik, insbesondere die Sinfonien, die Streichquartette und die Klavierwerke. Beethoven als Vokalkomponist – dieses Bild ist wenig verbreitet, obwohl gerade seine beiden Messen Meilensteine in seinem Schaffen sind: Die erste Messe in C-Dur op. 86 steht bereits für ein gewisses Sendungsbewusstsein Beethovens. An seinen Verleger Breitkopf & Härtel schrieb er darüber im Juni 1808: »Von meiner Meße wie überhaupt von mir selbst sage ich nicht gerne etwas, jedoch glaube ich, daß ich den Text behandelt habe, wie er noch wenig behandelt worden.«
Über seine zweite Messe, die »Missa solemnis« op. 123, schrieb Beethoven am 5. Juni 1822 an den Musikverleger Carl Friedrich Peters in Leipzig: »Das gröste Werk, welches ich bisher geschrieben, ist eine große Meße mit Chören und 4 obligaten Singstimmen und großen Orchester.« Am 10. März 1824, im Brief an den Verlag B. Schott’s Söhne in Mainz, bemerkte er: »so schwer es mir wird, über mich selbst zu reden, so halte ich sie doch für mein gröstes Werk.« Natürlich ist zu berücksichtigen, dass damals Kirchenmusik in der Regel nicht gedruckt wurde, weil es dafür keinen Markt gab, und Beethoven somit ein wenig auftrumpfen musste.
Doch auch sein Image in der Nachwelt, das er mit beeinflusste, wird von der »Missa solemnis« dominiert: Beethoven ließ sich von Joseph Karl Stieler im Jahre 1820 (als diese Messe noch keineswegs vollendet war) als deren Komponist porträtieren, in der rechten Hand einen Stift haltend, in der linken ein Notenmanuskript, dessen Beschriftung es als das ›Credo‹ der »Missa solemnis« ausweist – und die Botschaft seines persönlichen Credos oder Bekenntnisses zu symbolisieren scheint. Bis heute ist es das international bekannteste Beethoven-Bild und es wurde in vielen Varianten künstlerisch weitergestaltet, u. a. von Andy Warhol.
Beethoven gilt heute oft als ein Revolutionär. In kreativer Hinsicht mag das stimmen, doch spätestens 1809 wurde er so etwas wie ein österreichischer ›Artist in Residence‹. Durch einen Rentenvertrag mit Vertretern des Hochadels finanziell abgesichert, war er lediglich dazu verpflichtet, in Wien zu bleiben und zu komponieren. Einer seiner wichtigsten Gönner (und zugleich sein Schüler) war Erzherzog Rudolph von Habsburg. Als am 20. Januar 1819 Graf Maria Thaddäus von Trautmannsdorf-Weinsberg, Erzbischof von Olmütz (tschechisch: Oloumouc), in Wien starb, stand Erzherzog Rudolph als Nachfolger bereits fest. Beethoven schrieb am 3. März an ihn: »der Tag, wo ein Hochamt von mir zu den Feyerlichkeiten für I.[hre] K.[aiserliche] Hoheit soll aufgeführt werden, wird für mich der schönste meines Lebens seyn, und Gott wird mich erleuchten, daß meine schwachen Kräfte zur Verherrlichung dieses Feyerlichen Tages beytragen.« Tatsächlich stammen die frühesten erhaltenen Skizzen zur »Missa solemnis« von April/Mai 1819. Im September des Jahres wurde Rudolph als Priester und als Bischof geweiht, und Beethoven behauptete am 15. Oktober, die Messe sei »nun bald vollendet«. Als die feierliche Inthronisation Rudolphs als Erzbischof von Olmütz im Frühjahr 1820 stattfand, war indessen nur das Kyrie vollendet. Daraufhin wurde eine Messe von Johann Nepomuk Hummel aufgeführt. Damit war das primäre Ziel verfehlt. Doch Beethoven machte weiter. Anfang 1823 schließlich war das Werk soweit fertig, dass zwei Kopisten die Widmungspartitur für Erzherzog Rudolph schrieben, die am 19. März 1823 an diesen überreicht wurde. Erst danach ergänzte der Komponist noch Posaunenstimmen.
Beethoven erprobte ein ganz neues Konzept der Vermarktung: Die Messe wurde zunächst nicht gedruckt, sondern sollte in Form von einzelnen Abschriften verkauft werden. Zur Subskription einer solchen Abschrift wurden während des Jahres 1823 Einladungsbriefe an verschiedene europäische Höfe und Institutionen geschickt; achtundzwanzig davon sind heute nachweisbar – ebenso wie zehn positive Antworten. Sechs dieser Kopien der »Missa solemnis« sind erhalten: Es handelt sich um die Partituren für König Friedrich August I. von Sachsen, für König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, für den Cäcilien-Verein in Frankfurt am Main, für König Ludwig XVIII. von Frankreich, für Großherzog Ferdinand III. der Toskana und schließlich für König Friedrich VI. von Dänemark. Darin zeigt sich auch die internationale Berühmtheit Beethovens bereits zu Lebzeiten.
Nachdem in Wien im ersten »Concert spirituel« des Jahres 1827 im Saal der Niederösterreichischen Landstände das Gloria aus der »Missa solemnis« aufgeführt worden war, kam der Rezensent der Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung zu folgendem Schluss:
»Wer sich anmasst, ein so complicirtes Tonwerk nach einmaligem Hören gefasst und verstanden zu haben, mag es wagen, ein Urtheil darüber zu fällen. Ref.[erent] bekennt sich unfähig dazu.«
Die Uraufführung der »Missa solemnis« fand nicht im kirchlichen Rahmen statt, sondern auf Initiative von Nikolaus Fürst Galitzin (einem russisch-orthodoxen Christen) in Sankt Petersburg am 7. April 1824 im Konzert der dortigen Philharmonischen Gesellschaft. Besonders wurde das Violinsolo des Benedictus bewundert – man betrachtete es in den folgenden Jahren, von berühmten Geigern gespielt, wie ein zweites Violinkonzert Beethovens. In Wien erklangen nur Teile, nämlich das Kyrie, das Credo und das Agnus Dei, am 7. Mai 1824 zusammen mit der Uraufführung der neunten Sinfonie im k. k. Hoftheater nächst dem Kärntnertor. In den Folgejahren gab es weitere Teil-Aufführungen in Konzerten. Aber auch im kirchlichen Kontext ist die »Missa solemnis« zu finden. Eine datierte Partitur und Aufführungsmaterial in Brünn belegen, dass das Werk in der dortigen St. Jacobikirche 1824 im Hochamt erklang. In Koblenz waren am 14. Oktober 1827 das Kyrie und das Gloria während des Hochamts in der Pfarrkirche »Unserer lieben Frau« zu hören. Aufführungen der gesamten Messe blieben für lange Zeit undenkbar – das Bonner Publikum musste bis zum Sommer 1845 warten.
Die Art, mit der Beethoven den Text behandelte (etwa im »Miserere« und im »Dona nobis pacem«), verdeutlicht, wie weit er sich von bisherigen Messkompositionen entfernt hatte. Beim Hören dieser teils innigen, teils grandiosen Musik ist eine gewisse Spannung zwischen kirchlicher Tradition und säkularem Konzertbetrieb erfahrbar, die dazu beitragen mag, dass die »Missa solemnis« als Kunstwerk ihre Aktualität nicht verloren hat. Beethoven selbst zeigte sich gegenüber Gattungsgrenzen und unterschiedlichen Aufführungsräumen als pragmatisch: So schrieb er am 8. Februar 1823 an Johann Wolfgang von Goethe nach Weimar, für sein neues Werk werbend: »die Meße ist auch als Oratorium gleichfalls aufzuführen.«
Text: Beate Angelika Kraus
Kyrie! eleison!
Christe eleison.
Kyrie eleison.
***
Gloria in excelsis Deo,
et in terra pax hominibus bonae voluntatis.
Laudamus te, benedicimus te, adoramus te, glorificamus te.
Gratias agimus tibi propter magnam gloriam tuam,
Domine Deus, Rex coelestis, Deus Pater omnipotens.
Domine Fili unigenite, Jesu Christe,
Domine Deus, agnus Dei, filius patris.
Qui tollis peccata mundi, miserere nobis, qui tollis peccata mundi, suscipe deprecationem nostram,
qui sedes ad dexteram patris, miserere nobis.
Quoniam tu solus sanctus, quoniam tu solus dominus,
quoniam tu solus altissimus, Jesu Christe,
cum Sancto Spiritu in gloria Dei patris, amen.
***
Credo in unum Deum,
patrem omnipotentem, factorem coeli et terrae,
visibilium omnium et invisibilium.
Credo in unum dominum Jesum Christum,
filium Dei unigenitum
et ex patre natum ante omnia saecula.
Deum de Deo, lumen de lumine,
Deum verum de Deo vero, genitum, non factum,
consubstantialem patri, per quem omnia facta sunt.
Qui propter nos homines
et propter nostram salutem
descendit de coelis.
Et incarnatus est
de spiritu sancto
ex Maria virgine,
et Homo factus est,
crucifixus etiam pro nobis
sub Pontio Pilato
passus et sepultus est.
Et resurrexit tertia die
secundum scripturas
et ascendit in coelum,
sedet ad dexteram patris,
et iterum venturus est cum gloria
judicare vivos et mortuos,
cujus regni non erit finis.
Credo in Spiritum Sanctum,
Dominum et vivificantem,
qui cum patre filioque procedit,
Qui cum patre et filio
simul adoratur et conglorifcatur,
qui locutus est per Prophetas,
credo in unam sanctam catholicam
et apostolicam ecclesiam,
confiteor unum baptisma,
in remissionem peccatorum
et exspecto resurrectionem mortuorum,
et vitam venturi saeculi, amen.
***
Sanctus! Sanctus Dominus Deus Sabaoth.
Pleni sunt coeli et terra gloria tua,
osanna in excelsis.
Benedictus qui venit in nomine Domini.
Osanna in excelsis.
***
Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, miserere nobis.
Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, miserere nobis.
Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, dona nobis pacem.
***
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Das Beethovenfest Bonn 2024 steht unter der Schirmherrschaft des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst.
Programmheftredaktion:
Sarah Avischag Müller
Noomi J. Bacher
Lektorat:
Heidi Rogge
Die Texte von Beate Angelika Kraus sind Originalbeiträge für dieses Programmheft.