The Trinity Sinfonia
Fabian Müller Klavier & Leitung
5.9.-3.10. 2024
The Trinity Sinfonia
Fabian Müller Klavier & Leitung
Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791)
Klavierkonzert Nr. 23 A-Dur KV 488
I. Allegro
II. Adagio
III. Allegro assai
Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Sinfonie Nr. 8 F-Dur op. 93
I. Allegro vivace e con brio
II. Allegretto scherzando
III. Tempo di Menuetto
IV. Allegro vivace
Pause
Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60
I. Adagio – Allegro vivace
II. Adagio
III. Allegro vivace
IV. Allegro, ma non troppo
Hier wird das Miteinander großgeschrieben. Schon der Name des Orchesters hat mit Gemeinsamkeit zu tun: The Trinity Sinfonia nennt Fabian Müller das Ensemble, das er 2023 gemeinsam mit Musikerfreund:innen aus der Taufe gehoben hat und nun beim Beethovenfest Bonn vorstellt. Aus dem Geist der Kammermusik musiziert man hier – gleichberechtigt, auf Augenhöhe, in gegenseitiger Wertschätzung. Zum Debüt beim Beethovenfest nimmt das Bonner Ensemble Werke in den Fokus, die das gemeinschaftliche Miteinander in besonderer Weise feiern. Wolfgang Amadeus Mozart macht in seinem Klavierkonzert Nr. 23 aus dem Solisten einen ›Primus inter pares‹, einen Ersten unter Gleichen. Und Ludwig van Beethoven zeigt sich in seinen Sinfonien Nr. 4 und Nr. 8 zugewandt und von heiter-humorvoller Seite. »Ein Fest für jeden Menschen« hört Fabian Müller in diesen Meisterwerken: »Als würde Beethoven zu einem Alien sagen, schau’, so freuen sich die Menschen!«
Er sei kein Dichter, liest man bei Wolfgang Amadeus Mozart. Und Maler und Tänzer sei er ebenso wenig. Aber Musikus zu sein, das dürfe er von sich behaupten – und deshalb könne er »Gesinnungen und Gedanken« eben durch Töne ausdrücken. Ja, eine »ganze Gratulation« gedenke er auf dem Klavier zu spielen, zur Feier vom Namens- und Geburtstags seines Vaters 1777. Musik, das war für Mozart nicht bloß Broterwerb oder kunst- und planvoll erschaffenes Klanggewebe. Es war Sympathiebekundung, Freundschaftsbeweis, Ausdruck der Seele. Mozarts Komponieren war auf Gemeinsamkeit ausgelegt, auf den Menschen ausgerichtet und vom Menschen her gedacht. In der großen Mehrheit seiner Werke ließ er gemeinschaftlich musizieren. Und auch, wenn er Musik für sich selbst als Interpreten schrieb, sah er sich nicht als Einzelkämpfer. Bei Kammermusik unter Freund:innen oder als Primus inter pares im Solokonzert mit Orchester fand er seine Komfortzone.
Als ein ›Primus inter pares‹ (oder eine ›Prima inter pares‹) wird eine Person von besonderer Stellung (zum Beispiel ein:e Solist:in) in einer Gruppe bezeichnet, deren Mitglieder dennoch alle gleichberechtigt sind. Kaiser Augustus verwendete diesen Begriff für seine politische Position in der römischen Republik. Wörtlich übersetzt würde der Ausdruck ›Erste:r unter Gleichen‹ heißen.
Zwar sind Tag und Ort der Erstaufführung seines Klavierkonzerts Nr. 23 nicht (mehr) bekannt, eines ist aber sicher: Mozart selbst saß zu dieser Gelegenheit am Klavier. Denn sämtliche Klavierkonzerte jener Zeit komponierte er sich selbstverständlich in die eigenen Finger. Mitte der 1780er-Jahre war er in Wien als Komponist und Pianist gefragt wie kaum ein anderer. Trotzdem ging es ihm offenbar nicht darum, sich als Virtuose feiern zu lassen. Vielmehr rückte er das kunstvolle Miteinander von Solo und Tutti (dem Orchester) ins Zentrum. Beide begegnen sich auf Augenhöhe und werden zu Partnern, deren Existenz ohne den jeweils anderen nicht denkbar wäre. Ein Umbruch, der in Mozarts Klavierkonzert Nr. 23 einen vorläufigen Höhepunkt erfuhr.
»Die Concerten sind eben das Mittelding zwischen zu schwer und zu leicht«, hatte Mozart zu früheren Werken geäußert. »Sie sind sehr brillant – angenehm in die Ohren – natürlich ohne in das Leere zu fallen. Hie und da können auch Kenner allein Satisfaction erhalten – doch so – daß die Nichtkenner damit zufrieden seyn müssen, ohne zu wissen warum.«
Eine Einschätzung, die für dieses Konzert ganz gleiche Berechtigung hat. Das Werk zeigt eine der ausgewogensten Leistungen Mozarts. Aus der durchaus schmalen Besetzung, die völlig ohne die sprichwörtlichen Pauken und Trompeten auskommt, weiß er große Farbintensität zu schöpfen. Alle musikalischen Mittel sind zweckmäßig und sparsam eingesetzt und erzeugen trotzdem großen Effekt.
Als der Meister das Konzert in A-Dur am 2. März 1786 in sein »Verzeichnüß aller meiner Werke« eintrug, lag eine andere Partitur noch unvollendet auf seinem Billardtisch: die Oper »Le nozze di Figaro«. Es ist nicht zu überhören, dass sich beide Werke die Entstehungszeit teilen. Die quirlige Lebendigkeit der aufmüpfigen Opera buffa tönt auch aus dem Klavierkonzert. Und selbst bei diesem reinen Instrumentalwerk könnte man auf den Gedanken kommen, Mozart habe beim Komponieren ein vielgestaltiges Opernensemble vor Augen gehabt. Mensch und Miteinander sind eben immer die Gravitationszentren von Mozarts Musik.
Revolutionäre, Hitzköpfe, Enfants terribles – wo stünde die Musikwelt ohne sie? Ohne ihr unbändiges Drängen in Richtung Neuland, ihre ungezähmte Begierde, in die Zukunft vorzudringen. Doch manchmal traut man seinen Ohren nicht, wie freundschaftlich sich auch ein kompromissloser Umstürzler zeigen kann. Ludwig van Beethoven etwa überrascht zwischen subjektiv aufgeheizter »Eroica« (der Dritten) und dramatisch-wuchtiger »Schicksalssinfonie« (der Fünften), nach einer »Apotheose des Tanzes« (der Siebten) und vor dem alles überstrahlenden »Götterfunken« (der Neunten) zweimal mit lichter Klarheit, Grazie, Zugänglichkeit – und Humor.
»Im Ganzen ist das Werk heiter, verständlich und sehr einnehmend gehalten«, las man in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung noch vier Jahre nach der Uraufführung von Beethovens Sinfonie Nr. 4. Und nach der Uraufführung seiner Sinfonie Nr. 8 mutmaßte das gleiche Blatt, dass »in der Uebersättigung von schon so vielem genossenen Schönen und Trefflichen« zwangsläufig »eine Abspannung die Folge seyn muss«.
Heiterkeit und Entspannung? Wo bleibt da die vielbeschworene Beethovensche Forderung nach Eigensinn und Fortschritt? Gab doch Beethoven als Maxime seines Schaffens aus: »Allein Freyheit, weiter gehn ist in der Kunstwelt, wie in der ganzen großen schöpfung, zweck.« Aber vor einem vorschnellen Urteil sollte man sich in beiden Fällen hüten. »Es gibt immer den Hang dazu, das Drama für wertvoller zu halten als die Komödie«, konstatiert auch Fabian Müller.
»Es gibt immer den Hang dazu, das Drama für wertvoller zu halten als die Komödie. Ich glaube aber nicht daran. Fast das Gegenteil ist der Fall: Es ist viel schwerer, einen guten Witz zu machen, als jemanden wütend anzuschreien. In dem Sinne sind die Sinfonien Nr. 4 und 8 für mich genauso Meisterwerke wie die möglicherweise berühmteren Nachbarwerke von Beethoven. Es gibt so eine authentische Lebenslust und Freude in diesen Werken, die sich nicht selber zur Schau stellt, sondern wie aus einem Kraftwerk – aus Beethoven – hervorbricht. Und es ist keine private Rührung, sondern alles ist ein Fest für jeden Menschen. So als würde Beethoven zu einem Alien sagen, schau’, so freuen sich die Menschen!«
– Fabian Müller
Recht hat Müller, denn harmlos ist weder die Vierte noch die Achte. Vielleicht sind beide Sinfonien, ob in Klang oder Ausmaß, schlanker dimensioniert als etwa die »Pastorale« Nr. 6, die »Eroica« Nr. 3 und ohnehin die Neunte. Vielleicht tragen sie ihre Gedanken nicht so sehr mit Emphase nach außen. Aber an ihrer vorgeblichen Harmlosigkeit sind Zweifel angebracht, wie schon die langsame Einleitung der vierten Sinfonie signalisiert. Als wolle Beethoven die heitere Gelassenheit des Folgenden vorab bereits in Frage stellen, gibt er seiner Sinfonie einen wenig greifbaren Einstieg: von Gegensätzen gekennzeichnet, aber weit in die Zukunft einer romantischen Epoche vorausweisend.
Auch dem scheinbar behaglichen Rückwärtsblick der achten Sinfonie sollte man nicht trauen. Im Gegenteil: Beethoven erlaubt sich hier derben Schabernack – überraschende Missklänge, ›falsche‹ Einsätze, Instrumentengruppen, die sich gegenseitig ruppig ins Wort fallen, oder völlig übertriebene Gestik. (Die schier nicht enden wollenden Schlussformeln des letzten Satzes der Achten hätte sich ein Loriot nicht besser einfallen lassen können.)
Zum Eigensinn gehört, nicht den Erwartungen zu entsprechen. Genau das hat Beethoven in seinen Sinfonien Nr. 4 und Nr. 8 getan, wenngleich in anderer, eben unerwarteter Richtung. Und so sprechen auch diese beiden Werke ein gewichtiges Wort, allerdings in unerhörter Gelassenheit. Der Musikphilosoph und Soziologe Theodor W. Adorno nahm sie nicht aus, als er in den 1960er-Jahren Beethovens Sinfonien »Volksreden an die Menschheit« nannte, was der Kulturwissenschaftler Jan Assmann im Beethoven-Jahr 2020 aufgriff: »Volksreden, gewiss, aber ohne die geringsten Zugeständnisse an den Massengeschmack.« Beethoven sagt in aller Entschiedenheit: Es braucht kein Pathos, kein großspuriges »Seid umschlungen, Millionen«, um Verbindung zu stiften. Manchmal können ein Lächeln, ein Augenzwinkern, ein guter Witz noch viel Größeres bewirken.
Text: Ilona Schneider
Raus auf die Bühne, Programm abspulen, Applaus entgegennehmen: Fabian Müller ist das definitiv nicht genug für ein erfülltes Leben im Zeichen der Musik. Jüngstes Resultat seines unentwegten Strebens heraus aus der Komfortzone: ein eigenes Orchester. 2023 hat Müller es mit befreundeten Musikerinnen und Musikern gegründet und The Trinity Sinfonia genannt. Der Name bezieht sich auf die erste musikalische Prägung in der Bonner Trinitatiskirche, wo sein Vater als Pfarrer tätig war. Die handverlesenen Mitglieder der Sinfonia sind allesamt beseelt von der Idee, zentrale Werke der klassisch-romantischen Orchesterliteratur aus dem Geist der Kammermusik heraus zu musizieren. Spitzenmusiker:innen aus renommierten Ensembles wie dem Aris Quartet, dem vision string quartet und dem Monet Quintett sowie Solobläser:innen führender deutscher Sinfonieorchester sind Kern der Besetzung und mitverantwortlich für den besonderen Spirit der Trinity Sinfonia.
Auch die Programme der Sinfonia sind andere als alltäglich. So nahm das Debütprogramm Mozart in den Fokus und wagte in der Verschränkung von Sinfonie, Kammermusik, Klavierkonzert und solistischem Klavierrepertoire eine ungewöhnliche Dramaturgie. Nach gefeiertem Debüt 2023 beim Rheingau Musik Festival geht für The Trinity Sinfonia die Reise nun beim Bonner Beethovenfest weiter. Sämtliche Beethoven-Sinfonien stehen in den kommenden Jahren auf dem Programm: »Ein Projekt«, so Müller, »das all unsere Kräfte fordert und zugleich wie eine Explosion unsere Kreativität freisetzt. Ein künstlerisches Abenteuer, auf das wir uns unglaublich freuen!«
Der gebürtige Bonner Fabian Müller hat sich in den vergangenen Spielzeiten als einer der bemerkenswertesten Pianisten seiner Generation etabliert. Für großes Aufsehen sorgte er 2017 beim Internationalen ARD-Musikwettbewerb in München, bei dem er gleich fünf Preise erhielt. Seither entwickelt sich seine Konzerttätigkeit auf hohem Niveau: 2018 gab er mit dem Bayerischen Staatsorchester sein Debüt in der New Yorker Carnegie Hall und trat erstmals in der Elbphilharmonie auf. In der kommenden Saison führt er auf Einladung von Daniel Barenboim sämtliche Klaviersonaten Beethovens im Berliner Pierre Boulez Saal auf und spielt den Zyklus ebenfalls bei den Beethovenfesten Bonn 2024 und 2025.
Auf der Suche nach seinem eigenen Klangideal gründete er außerdem sein eigenes Kammerorchester: The Trinity Sinfonia. Das Ensemble debütierte 2023 beim Rheingau Musik Festival; mit ihm führt er als Dirigent ab 2024 sämtliche Sinfonien Beethovens beim Bonner Beethovenfest auf. Fabian Müller verbindet eine exklusive Zusammenarbeit mit dem Label Berlin Classics. Im Frühjahr 2022 veröffentlichte er sein drittes Album, das die drei letzten Sonaten Schuberts beinhaltet.
Wir – das Beethovenfest Bonn – laden ein, in einem offenen und respektvollen Miteinander Beethovenfeste zu feiern. Dafür wünschen wir uns Achtsamkeit im Umgang miteinander: vor, hinter und auf der Bühne.
Für möglicherweise auftretende Fälle von Grenzüberschreitung ist ein internes Awareness-Team ansprechbar für Publikum, Künstler:innen und Mitarbeiter:innen.
Wir sind erreichbar über eine Telefon-Hotline (+49 (0)228 2010321, im Festival täglich von 10–23 Uhr) oder per E-Mail (achtsamkeit@beethovenfest.de).
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Das Beethovenfest Bonn 2024 steht unter der Schirmherrschaft des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst.
Programmheftredaktion:
Sarah Avischag Müller
Noomi J. Bacher
Die Texte von Ilona Schneider sind Originalbeiträge für dieses Programmheft.