Mit der Taschentrompete durch Bonn

Er liebt es, Menschen zusammenzuführen – besonders durch Musik. Als Community Musician will Juri de Marco ganz Bonn zum Singen und Jammen bringen. Den Anfang macht er im Stadtteil Tannenbusch.

Community bedeutet Gemeinschaft. Bist Du gerne Teil einer Gruppe?

Ja, definitiv! Schon früh habe ich gemerkt, wie sehr ich es liebe, Menschen zusammenzubringen. Mit zwölf gründete ich meine erste Band. Im Studium habe ich relativ schnell das Stegreif Orchester ins Leben gerufen – im Grunde auch eine große Community. Bei einem besonderen Projekt (#bfree) dort verfolgte ich die Vision, Menschen aus verschiedenen Ländern musikalisch zu vereinen. Dafür bin ich mit meinem Klappfahrrad und meiner Taschentrompete durch knapp 25 Länder gereist und habe auf den Straßen die Lieder der Leute gelernt. Diese Erfahrungen zeigten mir, dass Gemeinschaft unglaublich kraftvoll ist – sie kann uns helfen, ein friedvolles Miteinander zu verstehen und zu leben.

Warum machst Du Musik?

Ich glaube, Musik ist eine Sprache des Herzens, nicht des Verstands. Sie gibt uns Halt, schafft Zugehörigkeit und ermöglicht es uns, uns authentisch auszudrücken. Frei zu sein. Gerade das Singen ist Ausdruck der Seele. Ich habe noch nie erlebt, dass sich jemand nach dem Singen schlechter gefühlt hat als davor.

Was stellst Du Dir unter Community Music in Bonn vor?

Das Beethovenfest-Team und ich haben uns die Frage gestellt: Was bedeutet Community Music in einem Festivalkontext, im Gegensatz zum ständigen Betrieb eines Konzerthauses? Wir werden über das Jahr verschiedene Phasen durchlaufen, ein bisschen wie natürliche Jahreszeiten. Im September zur Zeit des Beethovenfests ist die Erntephase, wo alles zusammenkommt und gefeiert wird. Außerdem werde ich erkunden, an welchen Orten in Bonn es eigentlich schon Stadtfeste, Musikvereine und Initiativen gibt und wie Community Music diese bereichern kann. So wächst das Projekt organisch in die Gesellschaft hinein, anstatt sich nur darüberzulegen.

Welche Aktivitäten wirst Du über die nächsten Monate und Jahre anstoßen?

Wir fangen mit zwei großen Projekten an. Erstens: ein Community Chor, der im Stadtteil Tannenbusch ins Leben gerufen wird. Dort arbeiten wir mit Kompositionszeichen, die wir gemeinsam lernen. Diese Handzeichen, die ich gebe, vermitteln musikalische Anweisungen. Sie ermöglichen es, improvisierend neue Stücke zu kreieren – ganz ohne Vorkenntnisse, aber ebenso spannend für Sänger:innen, die bereits Erfahrung mitbringen. Der Chor ist für alle offen, unabhängig von Alter, Herkunft oder sozialen Hintergründen. Wir werden mit der Zeit eigene Songs entwickeln, die persönliche Erlebnisse und gesellschaftliche Themen aufgreifen. Langfristig möchte ich solche Lieder in ganz Bonn sammeln. 

Das zweite Projekt ist die Community Jam: Eine offene Jamsession, die sich an Musiker:innen mit Vorkenntnissen richtet. Es wird eine dynamische und inklusive Runde sein, zu der jederzeit neue Leute dazukommen können. Das Ziel ist, daraus eine feste Beethovenfest Community Music Band entstehen zu lassen, die den Chor begleiten oder die Sessions eröffnen kann. Neben der Musik geht es dabei um Begegnung und Austausch – in entspannter Atmosphäre und mit ein paar Snacks. Auch hier kommen die Musikzeichen zum Einsatz, um allen, die noch nie improvisiert haben, einen einfachen Zugang zu ermöglichen. 

Darüber hinaus habe ich viele weitere Ideen für die nächsten Jahre. Zum Beispiel Songwriting-Workshops für Familien, oder für ältere Generationen, die mit einem eigenen Lied ihr Wissen zu Bonn oder Erfahrungen aus ihrem Leben teilen. Ich möchte Kollaborationen zwischen Community-Music-Abteilungen in Deutschland anstoßen. Und vielleicht später mit einem Podcast oder einem anderen Medium die Erkenntnisse weitertragen. In Community Music passieren unfassbar tolle Geschichten, die andere inspirieren können.

Muss man Vorkenntnisse haben, um bei Deiner Community Music teilzunehmen? Spielt es eine Rolle, welche Musik man sonst macht?

Beim Chor ist es so: Man braucht kein Vorwissen – wirklich gar nicht. Es ist willkommen, aber nicht nötig. Für die Jamsession wünsche ich mir, dass die Menschen ihr Instrument ein bisschen beherrschen. Es ist aber tatsächlich ganz egal, welches und in welcher Musikrichtung – ob Klassik, Jazz, Folklore, Weltmusik, Reggae, Hip-Hop oder elektronische Musik.

Beim diesjährigen Festival gestaltest Du am 7. September das Musikfest Tannenbusch mit. Worauf können sich die Besucher:innen freuen?

Beim Musikfest kommen Bonner Musiker:innen, Festivalkünstler:innen und ich zusammen. Es wird ein Resümee der Prozesse sein, die wir in der Community Music durchlaufen haben. Das Publikum erwartet ein kleines Chorkonzert und eine Jamsession. Außerdem treten das Schulorchester des Tannenbusch-Gymnasiums und das Stegreif Orchester auf, gemeinsam und einzeln. Ich biete auch einen Erfahrungsraum für Menschen an, die Lust haben, die musikalische Zeichensprache kennenzulernen – in Form eines Stimmbefreiungs-Workshops.

Unser Motto beim Beethovenfest 2025 ist »Alles ultra«. Worin bist Du ultra?

»Alles ultra« verstehe ich als eine Bestandsaufnahme unserer Welt – in der oft alles extrem, laut und übersteigert erscheint. Meine Intention ist es, genau dem entgegenzuwirken. Also möglichst wenig ultra – und genau darin ultra zu sein.