Tasten in Massen

Ein Pianist spielt Klavier. 

Im Fall von Alexander Melnikov ist dieser Satz unvollständig. Spezifischer muss es heißen: Melnikov spielt Cembalo, Hammerklavier, Flügel und er dirigiert auch seine Konzerte. 

Letzteres zeigte er im zweiten Konzert seiner Residenz beim Beethovenfest 2022. Er dirigierte das Ensemble Resonanz vom Flügel aus und spielte zwei herausragende Klavierkonzerte des 20. Jahrhunderts. Paul Hindemiths Die vier Temperamente ist gewissermaßen eine sinfonische Dichtung für Orchester mit Soloklavier. Außerdem: das selten zu hörende Doppelkonzert für Klavier und Trompete von Dimitri Schostakowitsch.

Fünf Tasteninstrumente in einem Konzert

Im Gespräch hat Alexander Melnikov erklärt, dass er keine Angst davor hat sich als Pianist vielseitig zu betätigen – im Gegenteil. Er war einer der ersten internationalen Konzertpianisten, die historische Tasteninstrumente ernst nahmen. Er stellt die Cembali und Hammerflügel, die er sehr genau auswählt, in seinen Programmen gleichwertig neben den Flügel. 

Das außergewöhnliche Recital »Many Pianos« im Rhein Sieg Forum führte durch die Entwicklungsgeschichte des Klavierbaus seit dem 17. Jahrhundert. Bei so einem Konzertabend mit 5 Instrumenten auf der Bühne steht der Aufwand an Logistik und Stimmen einer ebenso großen mentalen Herausforderung für den Pianisten gegenüber, sich auf die spieltechnischen und klanglichen Unterschiede einzustellen. Der Lohn: die Klaviermusik von Johann Sebastian Bach bis Alfred Schnittke entfaltete in der Klangsprache ihrer Entstehungszeit ihre Eigenlogik.

Als Begleiter keine Nebenrolle

Ein weiteres Markenzeichen von Alexander Melnikov: Er ist ein leidenschaftlicher Kammermusiker und spielt regelmäßig Konzerte, in denen er die Rolle des Klavierbegleiters einnimmt. Im Auftaktkonzert seiner Residenz präsentierte er sich bescheiden als Begleiter der Sopranistin Anna Prohaska mit Arien von Wolfgang Amadeus Mozart. 

Mit der Geigerin Isabelle Faust verbindet ihn eine besondere Beziehung. Seit vielen Jahren spielen die beiden im Duo. Im Abschlusskonzert der Residenz brachten die beiden drei Beethoven-Violinsonaten in die Kleine Beethovenhalle. Nebenrolle ist das Klavier in dieser Musik sicherlich nicht. Mit Hammerklavier und historischer, Darmsaiten-bespannter Geige gelang eine absolute Sternstunde der Beethoveninterpretation.

Alexander Melnikov hat den Gedanken einer Residenz mit Leben erfüllt. Er nutzte die Zeit in Bonn, um möglichst viele Facetten seiner künstlerischen Interessen auszuleben, er ermöglichte es dem Publikum, ihn von völlig unterschiedlichen Seiten zu erleben. Und er brachte spannende Musik und Konzertformate mit, die spüren ließen, wie ernsthaft und mit welchem Qualitätsanspruch er seine künstlerischen Ziele verfolgt.